NOW-Geschäftsführer Dr. Jochen Damm über die Herausforderungen und Lösungen des Klimawandels

NOW-Geschäftsführer Dr. Jochen Damm
NOW-Geschäftsführer Dr. Jochen Damm
Der Klimawandel wirkt sich auf zahlreiche Aspekte unseres Lebens aus. In vielen Regionen werden zunehmende Dürreperioden, unregelmäßige Niederschläge und extreme Wetterereignisse zu einer ernsthaften Herausforderung für die Wasserversorgung.

Geschäftsführer Dr. Jochen Damm, promovierter Bauingenieur mit langjähriger Erfahrung in der Wasserversorgung, erklärt, wie der Fernwasserversorger diesen Herausforderungen begegnet, welche Lösungen es gibt und wie sich die NOW für die kommenden Jahre rüstet.
Herr Dr. Damm, welche Bedeutung hat eine stabile Wasserversorgung für unsere Gesellschaft?
Wasser ist für alle Lebewesen unverzichtbar. Für den Menschen ist es sowohl Lebensmittel Nummer 1 als auch ein unersetzliches Gut in Alltag und Beruf: vom kleinen selbstständigen Bäcker bis zum großen Automobilzulieferer, vom Krankenhaus bis zur Feuerwehr, ob in der Großstadt oder auf dem Land – wir alle sind rund um die Uhr auf eine zuverlässige Wasserversorgung angewiesen.

Ohne sie sähe unser tägliches Leben ganz anders aus und die meisten von uns kennen es nicht anders. Der Blick in andere Regionen der Welt zeigt aber, dass unsere öffentliche Wasserversorgung ein sehr hohes Gut und auch ein Privileg ist.
Wie spürt die NOW, dass sich die Klimakrise auf die Wasserversorgung in Deutschland auswirkt?
Trotz des Klimawandels wird Deutschland in den kommenden Jahrzehnten ein wasserreiches Land bleiben, doch die Grundwasserverfügbarkeit wird regional variieren. Längere Dürrephasen im Sommer stellen einige Wasserversorger in Deutschland schon jetzt vor Herausforderungen.

Gleichzeitig erwarten Klimaprognosen milde Winter mit viel Niederschlag, so wie wir es jetzt bereits beobachten können. Nach dem vielen Regen in den vergangenen Wochen sind die Grundwasserstände nach langer Durststrecke wieder gut aufgefüllt. Zukünftig stellt sich die Frage, ob dieses Auffüllen im Winter reicht, um die immer längeren und trockeneren Sommer zu überbrücken.
Bekommen die Verbraucherinnen und Verbraucher der NOW die Auswirkungen der Klimakrise zu spüren?
Nein, die Versorgung unserer 74 Verbandsmitglieder, und damit rund 600.000 Menschen war, ist und bleibt gesichert. Die NOW verfügt derzeit und absehbar über ausreichend Wasserreserven für die Versorgung mit Trinkwasser.

Die beiden Säulen aus der Nutzung heimischer Wasservorkommen sowie ihrer Aufbereitung und dem Bezug von Fernwasser sind stabil und robust, selbst in Spitzenverbrauchszeiten bleiben deutliche Reserven.

Als Wasserversorger konnten wir – dank der sehr guten Arbeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – dem Klimawandel bisher immer ein Schritt voraus sein.
Welche Strategie hat die NOW in den vergangenen Jahren verfolgt, um eine zuverlässige Wasserversorgung zu gewährleisten?
Die NOW hat schon früh die notwendigen Weichen gestellt, mit dem Ziel, die heimischen Wasservorkommen vorrangig zu nutzen. In den letzten 20 Jahren haben wir fünf neue Wasserwerke errichtet und vier ältere Anlagen umfassend modernisiert, in denen heute das Rohwasser von 188 Brunnen und Quellen zentral aufbereitet wird. Mit dem Abschluss unseres neuesten Projekts im Rems-Murr-Kreis erhöht sich die Anzahl unserer Wasserquellen auf etwa 220, was unsere Kapazitäten zur Trinkwasserversorgung noch weiter verbessert.

Durch die zahlreichen Maßnahmen der NOW steht in unserer Region heute deutlich mehr heimisches Trinkwasser für die Wasserversorgung zur Verfügung. Während sich der Bedarf unserer Verbandsmitglieder zwischen 2016 und 2020 um 28 Liter je Sekunde erhöhte, konnte die lieferbare Menge an Trinkwasser um ganze 180 Liter je Sekunde – und damit um das Sechsfache – erhöht werden. Und mit unseren aktuellen Projekten zum Ausbau der Wassergewinnung werden wir unsere Reserven weiter ausbauen.
Was sind das für Projekte?
Nachdem der Bau neuer Wasserwerke größtenteils abgeschlossen ist, konzentrieren wir uns bereits seit einiger Zeit auf die zweite Phase: die Optimierung der bestehenden Wassergewinnungs- und Aufbereitungsanlagen. Dazu zählen die Erweiterung des Wasserwerks in Niedernhall, die Nachrüstung unserer Anlage in Jagstzell und der Bau neuer Brunnen.

Unser Ziel ist es, das große Grundwasserpotenzial unserer Region nachhaltig zu nutzen und die Infrastruktur entsprechend anzupassen oder zu erweitern. Unser Fokus liegt aber nicht nur auf dem Klimawandel, sondern auch auf Digitalisierung, demografischem Wandel und der Modernisierung unserer Netze und Anlagen.
Wie wird sich die Rolle der NOW in der zukünftigen Wasserversorgung angesichts des Klimawandels verändern?
Der Klimawandel wird die Bedeutung von Fernwasserversorgern wie der NOW verstärken, da wir die letzte Versorgungsinstanz im dreigliedrigen Versorgungssystem sind. Dieses umfasst viele kleinere lokale Versorger auf der untersten Ebene, regionale Zweckverbände und Stadtwerke in der Mitte und überregionale Fernwasserversorger als oberste Ebene.

Langfristig werden die erste und zweite Ebene ein sicheres zweites Standbein durch einen Fernwasserversorger benötigen. Jeder bei der NOW ist sich dieser Verantwortung bewusst. In den Verbandsgremien wurden jüngst die „NOW-Ziele 2030“ beschlossen, mit dem der Zweckverband wichtige Grundlagen für eine langfristige sichere Wasserversorgung stellt.
Welche Rolle spielt die Öffentlichkeit und die Politik, um die Wasserversorgung auch in Zukunft stabil zu halten?
Bereits jetzt spürt man eine zunehmende Konkurrenz zwischen Landwirtschaft, Industrie und öffentlichen Wasserversorgern, wenn es um die Nutzung von Grundwasser geht. Hier muss die Politik aktiv werden. Denn in Zeiten, in denen Grundwasser nicht mehr für alle unbegrenzt und zu jeder Zeit zur Verfügung stehen kann, muss der Vorrang der öffentlichen Trinkwasserversorgung bei Interessenskonflikten klar geregelt werden.